Scroll Top
Die dunkle Glocke
Szene 7
1

Ezra Lockridge hatte genug, das wusste er. Dennoch hob er zum wiederholten Male den Daumen und bedeutete dem Wirt, ein weiteres Bier zu bringen. Mit einem kurzen Nicken griff dieser zu einem frischen Glas und hielt es unter den Zapfhahn. Mittlerweile saß Ezra schon vier Stunden an der gleichen Stelle und starrte in sich langsam auflösende Bierkronen. Niemand fiel der Mann auf, der deutlich älter aussah, als er eigentlich war. Er hatte sich hinter einem der rustikalen Holzpfeiler platziert, die es überall im Lokal gab.

Als der Wirt ihm ein frisches Bier hinstellte und das leere Glas abräumte, hob Ezra nicht einmal den Blick. Auch als der zweite Stuhl vor seinem Tisch knarrend zur Seite gezogen wurde und sich jemand zu ihm setzte, blieb er regungslos. Ein weiteres Bier erschien und der Neuankömmling trank einen Schluck. Dann sagte er zu Ezra: »Sie wirken, als würde sie etwas belasten.«

Erst jetzt schaute der Alte auf und sah einem Mann mit einer für seinen Geschmack viel zu positiven Ausstrahlung ins Gesicht. Der Fremde lächelte, was Ezra misstrauisch machte. Er war eigentlich beinahe jedem gegenüber stets misstrauisch, doch in diesem Fall ganz besonders.

»Was wollen sie von mir?« Die raue Stimme, die längst nicht mehr frei von den schlingernden Lauten des Betrunkenen war, sandte ein eindeutiges Signal, eines, das er auch umgehend aussprach:

»Lassen sie mich gefälligst in Ruhe.«

Doch der Fremde ließ nicht locker. »Mein Name ist Eric Warren und ich wohne mit meiner Partnerin seit einem Jahr hier in Blackridge Falls. Da es mir scheint, als lebten sie bereits eine Ewigkeit hier, würde ich mich gerne mit ihnen unterhalten.«

»Ich aber nicht mit ihnen.«, gab Ezra unfreundlich zurück. »Und jetzt verschwinden sie.«

Ohne auf die Zurückweisung einzugehen, fuhr Eric fort: »Wir sind vor etwas mehr als einem Jahr hierhergezogen, weil wir dem Stress der Großstadt entfliehen wollten. Das funktionierte auch ziemlich gut und wir hatten bereits einige entspannende Monate.«

Ezras Blick verfinsterte sich noch weiter, sofern das überhaupt möglich war, und schließlich platzte es aus ihm heraus.

»Verschonen sie mich mit ihrer Lebensgeschichte. Die interessiert mich einen Scheißdreck. Und jetzt sehen sie zu, dass sie Land gewinnen, sonst helfe ich ihnen dabei.«

Seine Stimme war ein lautes bedrohliches Knurren, das sich im gesamten Lokal ausbreitete. Der Wirt und einige Gäste wandten sich um und schüttelten verstört den Kopf.

Eric zwang sich, ruhig zu bleiben, denn je genauer er den Mann betrachtete, desto mehr war er überzeugt, hier den Richtigen gefunden zu haben. Als er sich vorgenommen hatte, dem Geheimnis des Ortes und der Glocke auf den Grund zu gehen, schien ihm der logischste Weg, das Thema direkt bei den Leuten anzusprechen. Dabei waren ihm die Außenseiter und Eigenbrötler besonders wichtig. Denn sie hatten in der Regel wenig gesellschaftlichen Kontakt und kamen nur selten zum Reden. Diese Möglichkeit wollte Eric ihnen nun bieten.

Deshalb fragte er rundheraus: »Können sie mir etwas über die dunkle Glocke sagen?«

Szene 8
Hintergrundfoto: Rob Potter
RSS
LinkedIn
Mastodon
Cookie-Information
Diese Website verwendet zur optimalen Anzeige der Inhalte Cookies. Diese als notwendig eingestuften Cookies werden von Ihrem Browser auf Ihrem PC gespeichert, da sie für die Funktion der Grundfunktionalitäten der Website unerlässlich sind. Cookies, die personenbezogene Daten speichern, verwenden wir aus Rücksicht auf Ihre Privatspäre grundsätzlich nicht.