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Was wäre wenn…

Nehmen wir mal an, der aktuell herrschende Trend, junge Menschen (sagen wir bis maximal 45 – ich bin 61 und halte verständlicherweise alles darunter für jung) in den Fokus allen gesellschaftlichen Lebens zu stellen, hielte an oder würde gar noch verstärkt. Und nehmen wir außerdem an, dass die Jungen in der Politik, anstatt sich der alternden Bevölkerung anzunehmen, diese beginnt, zu ignorieren oder gar auszugrenzen. Wenn es plötzlich, gesteuert durch Lobbygruppen, zu einer Art Apartheidsystem käme, das sich ausschließlich gegen die Generation 60+ richtete. Restaurants würden Einlass nur noch für Personen unter 60 zulassen (es wäre ja ihr Hausrecht), Geschäfte würden Menschen ab einem bestimmten Alter nicht mehr bedienen. Vielleicht ließe man sie sogar hinauswerfen. Das Gesundheitssystem würde die Behandlung von alten Menschen einstellen.

Schließlich würde es eine starke Lobbyorganisation schaffen, zunehmend junge Politikerinnen und Politiker in die Führungspositionen wählen zu lassen. Nehmen wir dann an, dass diese Maßnahmen nach einigen Jahren dazu führten, dass den Alten jegliches Recht entzogen würde. Wahlrecht, das Recht ein Fahrzeug zu führen, das Recht, sich weiterzubilden, das Recht auf freie Meinungsäußerung, all dies dürften sie nicht mehr ausüben. Sie wären damit vollständig ausgegrenzt.

In einer solchen dystopischen Welt spielt die Geschichte meines aktuell in Entwicklung befindlichen Romans. Was wären die Konsequenzen einer derartigen Entrechtung? Die Zahl der Almosenempfänger würde rapide steigen. Bettler und Diebe würden unsere Innenstädte bevölkern, und sofern sie erwischt würden, hätten sie drakonische Strafen zu erwarten. Möglicherweise würde ihnen sogar der Zutritt zu viele Städten gänzlich verwehrt. Es würden sich eine Vielzahl von Armenunterkünften bilden. Aufgrund der schieren Anzahl der alten Menschen würden sich diese Unterkünfte zu riesigen Slums entwickeln, mit einem eigenen Sozialsystem und eigener Infrastruktur. Schwarzmärkte würden in allen kleinen und großen Städten entstehen, über den ein reger Handel von Waren gegen Waren, Waren gegen Dienstleistungen und beides gegen Geld stattfinden würde. Da die Menschen auf sich gestellt wären, würden sie sich teilweise zu solidarischen Gruppen zusammenfinden, die aber mit anderen Gruppen in ständigem Wettbewerb stünden.

Neben einer großen Zahl von Todesopfern aufgrund fehlender medizinischer Betreuung wäre vor allem die Selbstmordrate ein riesiges Problem. Denn nicht nur alte Menschen, die jeder Perspektive beraubt wurden, würden diesen letzten, endgültigen Weg gehen. Auch viel jüngere Frauen und Männer würden früher oder später erkennen, dass sie ebenfalls einmal alt sein werden. Und schon bald müssten sie sich darüber Gedanken machen, ob sie noch eine Zukunft haben. Nicht wenige würden zu dem Schluss kommen, dass es in diesen Zeiten keine Zukunft für alte Menschen gibt – und sie würden die Konsequenzen ziehen.

Denn der Jugendwahn würde auch ihre Kinder befallen. Bereits in der Pubertätsphase würden sie sich, gesteuert vom sozialen Umfeld und der Schule, von ihren Eltern abwenden und damit ihre Ablehnung des Alters zementieren. Und da es den Jungen in dieser Gesellschaft an nichts mangelte, würden sie es als richtig und gerecht empfinden.

Dies alles sind selbstverständlich nur Mutmaßungen, die meiner eigenen Vorstellung entsprungen sind, und die keinesfalls irgendwelchen wissenschaftlichen Erhebungen standhalten würden. Und ich bin überzeugt und froh, dass es so dramatisch nicht kommen wird. Doch einige dieser Entwicklungen sind dennoch bereits heute in Ansätzen erkennbar. Sei es die teils unverständliche Sprache der Jugendlichen, die vorwiegend auf jung und dynamisch getrimmt Mode oder das Fernsehprogramm, das sich auf eine Zielgruppe deutlich unterhalb der 40 eingeschossen hat.

Ich werde versuchen, in meinem Roman diese Welt für die Alten etwas lebenswerter zu gestalten, werde ihnen Mut machen und ihnen genügend Durchsetzungsvermögen geben, dass sie auch den auf sie zukommenden Gefahren begegnen können. Und vor allem werde ich ihnen Empathie und Solidarität mit auf den beschwerlichen Weg geben. Denn so verrückt es auf den ersten Blick klingen mag, den Alten gehört die Zukunft. Ohne sie würde das gesamte System zusammenbrechen. Die Jungen haben es nur noch nicht verstanden.

Titelfoto: Mihály Köles
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