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Schreibmotivation

Es hat neun Jahre gedauert! Neun Jahre, in denen ich – in gewisser Weise teils verzweifelt – versucht habe, ein zweites Buch zu schreiben. Ideen ergaben sich, wurden in ersten Entwürfen begonnen und wieder verworfen. Manchmal reichte es nicht einmal mehr für einen Entwurf. Dann gab es wieder Phasen, in der meine geistige und seelische Verfassung wohl etwas ausgeglichener war, und ich eine Geschichte zügig zu einem Schluss brachte. Doch diese Episoden waren selten.

Dann änderten sich zwei grundlegende, voneinander völlig unabhängige Dinge. Ich beschloss, mich aus dem Hamsterrad eines Day Jobs zu befreien, mit all seinen Nachteilen, die dies mit sich brachte, und ich meldete mich bei Mastodon an. Damit hatte ich plötzlich Zeit, die mein Kopf allerdings noch nicht so recht in Aktion umzuwandeln wusste. Denn zunächst fiel ich in ein tiefes Loch. Mein Buch schlummerte bereits eine ganze Weile unangetastet vor sich hin und mir fehlte der nötige Schub, diesen Zustand zu beheben.

Auch meine ersten Gehversuche bei mstdn.social waren eher Twitter-gefärbt. Als ehemaliger Jünger des blauen Vogels behielt ich die dort eingeübten Vorgehensweisen bei und stellte bald fest, dass mir nicht wohl dabei wahr. Es ging meist um Politik und darum, wie schlecht doch eigentlich alles ist. Damit schaffte ich es erfolgreich, mein Motivationstief noch ein wenig absacken zu lassen.

Eher lustlos meldete ich mich parallel bei literatur.social an, denn vielleicht war ja da alles etwas anders. Vielleicht ging es dort zur Abwechslung mal nicht um solch schwere Themen, die einen nur herunterziehen. Doch schnell erkannte ich, dass auch hier nicht nur über Literatur diskutiert wurde. Das Herunterziehen nahm bedauerlicherweise auch in diesem vermeintlichen Forum der Literaturbegeisterten einen nicht unbeträchtlichen Raum ein.

Schon dachte ich ans Aufgeben, als sich die ersten Lichtblicke zeigten. Durch die Decke der täglichen »Alles ist schlecht«-Tröts schienen bald einige Strahlen, die sich auf den Kern dieser Gruppe konzentrierten. So fand ich die ersten, deren Tröts sich viel mit dem Thema Schreiben befassten, und plötzlich war ich mittendrin. Ich begann, mich von den Twitter-Gewohnheiten zu verabschieden (wen interessieren schon Likes) und schrieb selbst immer mal wieder etwas zu meinem Schreiballtag. Denn inspiriert durch immer mehr Menschen der schreibenden Zunft auf dieser Instanz, begann ich nun meinerseits wieder mit der Arbeit.

Die Folge war verblüffend. Ich hatte wieder einen mehr oder weniger geregelten Arbeitstag. Nach dem Frühstück ging es an den PC und es wurde geschrieben. Bis Mittags ging das so in einem durch, und es war ein verdammt gutes Gefühl. Endlich trauten sich die vielen kleinen Ideen in meinem Kopf wieder heraus und stürzten sich mit Freuden in meine Manuskripte. Sicher gab es auch mal Hänger, die aber oft durch ein paar motivierende Worte (und ja, auch durch Likes meiner Tröts) aus dem Mastodon-Zirkel ausgeglichen wurden. So kam es, dass ich jeden Tag regelrecht geil darauf war, weiterzuschreiben.

Und dann war ich plötzlich fertig. Also, so richtig fertig war ich natürlich noch nicht, aber die Texte von 13 Geschichten lagen in einem ersten Entwurf auf der Festplatte. Ich freute mich, wie Hulle – und fiel wieder in ein Loch. Denn der riesige Berg der Nacharbeit stand mir noch bevor. Aus diesem Keller hob mich erneut die freundliche Literaturrunde meines Vertrauens. Bald begann ich mit neuem Ansporn die erste, die zweite und schließlich die dritte Korrekturlesung und auch meine Lektorin und Korrektorin kam zügig voran.

Die letzte Hürde, die sich dann ergab, schien auf den ersten Blick recht hoch: der Buchsatz. Noch nie zuvor habe ich mich mit diesem Thema ernsthaft befasst und wusste daher nichts von den Notwendigkeiten, Mechanismen und, ja auch den Befindlichkeiten, die der Buchsatz so mit sich brachte. Leseflussstörungen kannte ich nur inhaltlich, konnte mir aber nicht vorstellen, dass sie auch durch den Buchsatz hervorgerufen werden können. So lernte ich etwas über Inlines oder den Unterschied zwischen Lombarden und Initialen und vor allem musste ich mich ein wenig in LaTeX und ganz viel in SPBuchsatz einarbeiten, einer Software, die einem dankenswerterweise kostenlos das Thema verständlich näher bringt und viel Arbeit automatisch erledigt. Dennoch steckte noch eine Menge Feinarbeit darin, die es zu erledigen galt, erst recht, wenn man das Buch in zwei verschiedenen Formaten veröffentlichen möchte. Doch das Ergebnis dieser Mühen konnte sich schließlich sehen lassen. Verglichen mit den ersten Auflagen meines Buches »Traumbrücken« ist der Buchsatz nun geradezu eine Augenweide.

An dieser Stelle muss ich dann auch gleich mal zwei Lanzen brechen. Eine für den Entwickler von SPBuchsatz, der mir über so manche Hürde geholfen hat. Herzlichen Dank für die geleistete Unterstützung. Es war mir ein Vergnügen, mit der Software arbeiten zu dürfen. Und eine für die Betreiber von literatur.social und deren Mitglieder, die es geschafft haben, mich aus meinem literarischen Schlummer zu holen.

Und nun? Nun ist das Buch fertig, neun Jahre nach der Veröffentlichung meines ersten Kurzgeschichtenbandes. Vieles ist heute anders. Nicht nur die Thematik des Inhalts hat sich gewandelt. Wegen des neuen Publishers und der Berücksichtigung des Buchsatzes ist nun auch die Qualität als Buch eine ganz andere, eine bessere. Mein nächstes Projekt soll erstmalig ein Roman werden. Ich freue mich schon darauf, wieder von dem kleinen erlesenen Literaturzirkel namens literatur.social motiviert zu werden, und bin sicher, dass ich am Ende auch wieder SPBuchsatz für die optische Feinarbeit verwenden werde. Doch dafür muss das Buch erst einmal geschrieben werden.

Also, frisch ans Werk! Ich werde sporadisch auf literatur.social berichten.

Titelfoto: whereslugo
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